Fallbeispiele aus der KBT

Um einen Eindruck vom Vorgehen und den Wirkungen in der KBT zu vermitteln, schildere ich zwei kurze Behandlungssequenzen. Es sind keine Originalsequenzen, sondern beispielhafte Ereignisse, wie ich sie in Abwandlungen häufig erlebt habe.

Allgemeines:

Ausgehend von der aktuellen Befindlichkeit und orientiert am Behandlungsziel formuliere ich sogenannte Angebote, um das Angesprochene oder Angedeutete ins konkrete Erleben zu bringen. So kann ein Satz, ein Begriff, eine Körperempfindung oder meine „Anmutung“ den Einstieg in eine Thematik anstoßen. Die Arbeit erfolgt prozessorientiert. Das, was angesprochen wird und reagiert, wird weiter beantwortet bzw. begleitet. Aus der Gruppe nehme ich Stimmungen und Handlungsimpulse auf und formuliere Angebote, um das Vorhandene zu vertiefen.

Sequenz aus einer Gruppenpsychotherapie-Sitzung:

In einer Gruppenpsychotherapie mit 6 Teilnehmerinnen kristallisiert sich unterschwellig eine Problematik heraus um das offene Äußern von Bedürfnissen. Ich wähle ein Angebot, das die Befürchtungen anspricht, um eine Bearbeitung in Gang zu bringen.
In der Mitte des Raumes habe ich etwas hingelegt und zugedeckt. Das löst Neugier, Erwartungsfreude, Erinnerungen an Weihnachtssituationen etc. aus. Manche gehen dichter heran, raten, eine nähert sich dem Verborgenen mit ihrem Fuß und beginnt zaghaft zu tasten. Eine andere fängt an, das Tuch vorsichtig anzuheben –mit Blick zu mir. Jede geht in ihrer Weise mit der für alle gleichen Situation um. Ich nehme das Tuch weg. Da liegen 6 verschiedene Bälle. Und ich sage: Wählen Sie sich einen Ball aus. Es sind nur Bälle. Und sie werden später wieder zurückgegeben. Dennoch werden Gefühlswallungen und Erwägungen ausgelöst: Bin ich schnell genug, um meinen favorisierten Ball schnappen zu können, hoffentlich kommt es nicht zu einer Auseinandersetzung um den Ball, den ich möchte, werden mich die anderen als egoistisch ansehen, wenn ich ganz schnell bin, bestimmt bleibt für mich nur der hässliche übrig…
Mit 6 gleichen Bällen wäre die Wirkung eine ganz andere gewesen.

Im therapeutischen Rahmen werden Impulse gegeben, damit sich unbewältigtes Konfliktpotential aktualisiert, erlebbar und verstehbar wird. Neue Erfahrungen können gemacht und im Ausprobieren und Wiederholen verinnerlicht werden. In diesem Fall könnten z.B. Belastungen aus einer unbewältigten Geschwisterrivalität angesprochen werden oder verhasste und gefürchtete Sätze auftauchen wie „Du bist die Älteste, gib´ etwas ab“ oder „Du denkst nur an Dich“, die im Inneren Jahrzehnte überdauert haben. Es kann schmerzhaft sein dem zu begegnen, was bis heute das Eintreten für eigene Bedürfnisse erschwert oder sogar das Wahrnehmen mancher Wünsche mit Schuld- oder Schamgefühlen verknüpft. Doch die Wiederherstellung und Vertiefung der Verbindung zur eigenen Lebendigkeit, das Ankommen bei sich selbst, entlastet, „nährt“ und stärkt.

Sequenz aus einer Einzeltherapie-Sitzung:

In einer Einzelpsychotherapie geht es einem Mann momentan um seine übermäßige Nachgiebigkeit aus Angst vor Zurückweisung.
Mit seiner Zustimmung für mein Angebot setze ich mich hinter ihn und lasse ihn mit einer Holzwalze seine Rückenlandschaft erleben, Erhebungen und Vertiefungen, Weiches, Nachgiebiges, seine Härten, Empfindsames und Robustes, mehr oder weniger Vertrautes…Neben der Wirbelsäule im Brustwirbelbereich fühlt er sich starr und kräftig, im Taillenbereich verletzlich. Ich befinde mich hinter seinem Rücken, außerhalb seines Blickfeldes und biete an, über die Walze in einen wortlosen Dialog zu kommen. Dem anwachsenden Druck im Taillenbereich weicht er aus, bei seiner Rundung im Brustwirbelsäulenbereich hält er Stand, wir kommen in eine Art Patt-Situation, vermehrten Druck von mir beantwortet er mit festem Gegendruck, ein Kampf entwickelt sich, der nach einer Weile abflaut, spielerisches Austricksen, dann nimmt er mein Angebot, ein bleibender, stabiler Stab, an und lehnt sich zurück, lässt sich halten, leicht wiegen, entfernt sich und kommt zurück, wiederholt das mehrere Male, folgt mir eine Weile beim Zurückweichen und trennt sich, richtet sich auf. Anschließend sprechen wir über das, was ihn innerlich bewegt hat, wie meine Signale bei ihm angekommen sind, was sie ausgelöst haben, was er sich getraut hat und mir nicht zumuten wollte, an welcher alten Erfahrung ich gerührt habe, was ihn überrascht und gefreut hat etc. Ich teile mit, was dem Prozess dienlich ist, gebe Antwort, lasse ihn an Überlegungen und Reaktionen teilhaben. Etwas Bedeutsames greife ich auf: Er habe Angst gespürt, niedergemacht zu werden und sich nicht wehren zu können. Mit seiner Zustimmung zum Ausprobieren gebe ich Druck mit der Walze auf seinen Schulterbereich. Zunächst gibt er dem nach, ich warte ab, verändere leicht die Druckrichtung, verstärke den Druck. Plötzlich drückt er mich weg. Er wirkt dabei entschieden, ich halte gegen, beantworte seine Impulse und gebe ihm damit die Möglichkeit, seine Kraft und Wehrhaftigkeit einzusetzen und damit zu experimentieren ehe ich weiche. Er schildert, wie der Wendepunkt in seinem Verhalten zustande kam, was das ausgelöst hat, was nötig war, wie er sein Handeln anschließend erlebt. Eine frühere Szene wird erinnert, in der ihm sein Wehren als Angriff vorgeworfen wurde.

Jede Therapie unterscheidet sich von der anderen, aber das grundsätzliche Vorgehen wird durch diese beispielhaften Berichte sicherlich anschaulich.

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